Strafgesetz

Rechtsberatung für Opfer von Häuslicher Gewalt

Als Opfer von Häuslicher Gewalt haben Sie Rechte im Strafverfahren. Lassen Sie sich von uns beraten.
Viele Gewalthandlungen in Ehe und Partnerschaft sind Delikte, die strafrechtlich verfolgt werden. Es wird dabei unterschieden zwischen Antragsdelikten und Offizialdelikten.

Antragsdelikte sind Taten, die nur dann strafrechtlich verfolgt werden, wenn das Opfer einen schriftlichen Strafantrag stellt. Die Anzeige eines Antragsdeliktes muss innerhalb von 3 Monaten seit Deliktsdatum erstattet werden (oder ab Kenntnis des Täters/der Täterin). Das Opfer hat die Möglichkeit, die Strafanzeige wieder zurückzuziehen.

Beispiele Antragsdelikte: Tätlichkeiten (Art. 126 Abs. 1 StGB); Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB); Sachbeschädigung (Art. 144 StGB); Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte (Art. 179quater StGB); Missbrauch der Fernmeldeanlage (Art. 179septies StGB).

Offizialdelikte sind Taten, die strafrechtlich verfolgt werden müssen, sobald die Polizei oder Justiz Kenntnis davon hat. Es wird von Amtes wegen ein Strafverfahren eröffnet - unabhängig davon, ob das Opfer dies wünscht. Gewalt in familiären oder partnerschaftlichen Beziehungen gilt als „Häusliche Gewalt“. Häusliche Gewalt ist ein Offizialdelikt. Bei vielen Gewalthandlungen im familiären oder häuslichen Rahmen wird demzufolge ein Strafverfahren eröffnet. Als häusliche Gewalt gelten Delikte auch noch bis zu 1 Jahr nach der Scheidung bzw. Auflösung der eingetragenen Partnerschaft oder nach Auszug des homo- oder heterosexuellen Partners/Partnerin aus der gemeinsamen Wohnung.

Beispiele Offizialdelikte: Sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB); Vergewaltigung (Art. 190 StGB); Einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2 StGB); Wiederholte Tätlichkeiten (Art. 126 Abs. 2 lit. b, bbis und c StGB); Drohung (Art. 180 Abs. 2 StGB).

Einstellung des Strafverfahrens bei Offizialdelikten (Art. 55a StGB)
Bei bestimmten Offizialdelikten (z.B. einfacher Körperverletzung, wiederholten Tätlichkeiten in der Ehe/Partnerschaft) kann das Verfahren auf Ersuchen des Opfers eingestellt werden. Falls das Opfer um eine vorläufige Einstellung ersucht, prüft die zuständige Behörde, ob es der Stabilität des Opfers und der Verbesserung seiner Situation dient. Sie führt ein Gespräch mit dem Opfer, welches für die Akten dokumentiert wird und vom Opfer zu unterzeichnen ist. Während des vorläufig eingestellten Verfahrens kann die Behörde die beschuldigte Person zum Besuch eines Lernprogramms gegen Gewalt verpflichten. Die vorläufige Sistierung der Behörde ist auf 6 Monate befristet. Auf Wunsch des Opfers oder wenn sich - entgegen den Erwartungen - die Situation des Opfers weder stabilisiert noch verbessert, kann das Verfahren innert dieser 6 Monate wiederaufgenommen werden.

Ohne Widerruf des Opfers innerhalb dieser 6 Monate und wenn die zuständige Behörde nach einer umfassenden Interessenabwägung feststellt, dass sich die Situation des Opfers stabilisiert oder verbessert hat, kann sie das Verfahren definitiv einstellen. Hierzu können Berichte involvierter Fachstellen beigezogen werden. Die Beraterin der BIF gibt grundsätzlich Auskunft, wenn die Klientin ihr eine Schweigepflichtentbindung unterschreibt. (Wosta 01.01.2020 Ziffer 12.8.1.2.14)

Das Verfahren kann nur auf Ersuchen des Opfers eingestellt werden; es kann aber gegen den Willen des Opfers fortgesetzt werden. Wurde die beschuldigte Person bereits einmal wegen gleichartiger Delikte und/oder Delikten gegen die sexuelle Integrität verurteilt und war das Opfer die Partnerin/der Partner, darf das Strafverfahren nicht vorläufig sistiert werden.

 

Ablauf des Strafverfahrens
Eine Anzeige kann jeder Polizeiposten entgegennehmen, empfehlenswert ist ein Detektivposten in der Nähe. Es können auch indirekt Betroffene wie Nachbarn, Familienmitglieder, Freundinnen usw. Anzeige oder Meldung bei der Polizei erstatten. Unabhängig ob Antrags- oder Offizialdelikt, die Polizei muss eingreifen, die Gewalt unterbinden und zuhanden der Strafverfolgungsbehörden ermitteln. Nach der ersten polizeilichen Ermittlung wird die Akte an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet und das Opfer zu einem späteren Zeitpunkt nochmals befragt. Je nach Sachlage kann die Untersuchungsbehörde das Verfahren vorläufig oder definitiv einstellen (Einstellungsverfügung), selber eine Strafe aussprechen (Strafbefehl) oder aber Anklage beim Gericht erheben. Dann entscheidet das Gericht über das Urteil (Hauptverfahren).

» Information zur Befragung im Strafverfahren (Für Opfer von Häuslicher Gewalt) - PDF

Konstituierung als Privatklägerschaft im Strafverfahren
Die Staatsanwaltschaft wird eine Betroffene/einen Betroffenen von häuslicher Gewalt (Opfer) fragen, welche Rolle sie/er im Strafverfahren einnehmen wird: Zeugin/Zeuge oder Privatklägerin/Privatkläger. Wir empfehlen eine Beratung bei einer Anwältin/einem Anwalt oder bei uns, um diese Entscheidung zu treffen.

Offizialdelikt: Die gewaltbetroffene Person erhält von der Staatsanwaltschaft ein Formular betreffend der Frage, ob sie/er „Zeugin/Zeuge im Verfahren“ bleiben oder als „Privatklägerin/Privatkläger“ teilnehmen will. Als Privatklägerin/Privatkläger hat sie/er Beteiligungsrechte wie Akteneinsicht, aktive Beteiligung am Verfahren (z. B. Zustellung des Gerichtsurteils, Berufung einlegen), Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung, Geltendmachung von Zivilansprüchen usw. Die Konstituierung zur Privatklägerschaft muss vor Abschluss der Untersuchung (Vorverfahren) erfolgen.

Antragsdelikt: Ein Strafantrag bei Antragsdelikten führt automatisch - also ohne eine weitere Erklärung - zur Privatklägerschaft. Der Strafantrag gilt mit anderen Worten als Erklärung, sich als Privatklägerin am Verfahren beteiligen zu wollen.

Opferrechte im Strafverfahren (Art. 117, StPO)
Opfer Häuslicher Gewalt haben Rechte im Strafverfahren, insbesondere das Recht auf Begleitung durch eine Vertrauensperson, Schutzrechte wie Einschränkungen bei der Gegenüberstellung, Schutz ihrer Persönlichkeit und Informationsrechte, wie z.B. über Verfahrensentscheide, Urteil, Haftentlassung der Tatperson etc.

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